Change of language, change of content

From now on this blog is about my adventures in bioinformatics and in the use of open source software:
The code is bash, perl, R -especially sweave/noweb-, LaTeX and my lovely, beastly OS editor`s (Gnu-Emacs) elisp.

I will publish code snippets and short comments in English language. You con read about the same and my other more biology focussed interests in German on Alles was lebt.

Sonntag, 30. November 2008

Google und die deutsche Evolutionsbiolgie

Zu meinem großen Erstaunen konnte ich eben feststellen, dass ich für den Suchbegriff

Die nahezu neutrale Theorie der molekularen Evolution



den Top-Hit von insgesamt 4010 Treffern auf Google habe. Die äquivalente Englischsprachige Suche ergibt 31300 Treffer mit einem Wikipedia-Eintrag an erster Stelle.

Sehr beunruhigend ist, dass kreationistische Texte wie das deutschen Intelligent-Design Lehrbuch "Evolution, ein kritisches Lehrbuch" von Reinhard Junker und Siegfried Scherer und eine positive Rezension zu diesem, zwei der ersten zehn Plätze einnehmen. Ein dritter Platz unter den ersten zehn bei dieser Suche geht an www.kritische-naturgeschichte.de, eine wissenschaftsfeindliche deutsche Seite, die - scheinbar ideologisch unabhängig - versucht die wissenschaftliche Methode als unanwendbar in der Biologie darzustellen.

Nach der ersten Freude über die Google-Suche, bin mir meiner Verantwortung bewusst, die "Fackel der Aufklärung" im deutschsprachigen Raum hochzuhalten.

Populationsgenetik Serie: Organisatorisches

Ich werde hier in den nächsten Wochen und Monaten hauptsächlich über Populationsgenetik schreiben. Die betreffenden Posts tragen das entsprechende Label. Meine Motivation und meine generellen Hauptquellen dazu beschreibe ich in diesem Eröffnungspost.

Die Posts werden sich in vier Kategorien gliedern:
  1. Grundlagen [Beispiel]
  2. Kernkonzepte, Modelle und Theorien [Beispiel]
  3. Paperdiskussion [Beispiel]
  4. Nebensächliches [Beispiel]
In allen Posts erhalten Formel fortlaufenden Nummer in eckigen Klammern. Wird später auf die Formel verwiesen ist auf dieser Zahl ist ein Link zum betreffenden Post platziert z.B. [6].
Gleiches gilt für Grafiken, die in geschweiften Klammern beschriftet werden z.B. {2}.

Grafiken werden von mir selbst mit Hilfe von R erstellt. Am Ende von Post, die mehr oder weniger aufwändige Plots enthalten wird der Leser einen Link zu einem funktionierenden R-script finden. Der Text aus diesen Google-Docs kann in einen Texteditor kopiert, modifiziert und danach in R zum erstellen eigener Grafiken benutzt werden.
Ich möchte dem interessierten Leser so die Möglichkeit geben selbst etwas mit den Formeln zu spielen und gleichzeitig -mit mir zusammen- einen Einstieg in R zu finden.

Ein Einführung in Populationsgenetik mit Hilfe von R - Eine Einführung in R mit Hilfe von Populationsgenetik.

Viel Spass!

Die Populationsgenetik Serie zieht um! Da die Beiträge untereinander sehr stark verknüpft sind und die Serie andernorts fortgesetzt wird, werde ich alle Posts der Serie in den nächsten Tagen auf den neuen Blog Alles was lebt bringen.

Die nahezu neutrale Theorie der molekularen Evolution

Eine elegante Erweiterung der neutralen Theorie haben Kimura und Ohta in den späten 1980ern entwickelt. Sie haben folgende die Gleichung für die Fixierungswahrscheinlichkeit von Mutationen, die schwach selektiert werden gefunden:

[9]

s ist dabei der sogenannte Selektionskoeffizient relativ zur durchschnittlichen Fitness. In dem zugrunde liegenden Modell hat das in der Population bereits vorhandene Allel die Fitness 1, Homozygote für die neue Mutation haben die Fitness 1+s, Heterozygote 1+s/2.
Folgendes Schaubild zeigt den Einfluss der Populationsgröße auf die Effektivität der Selektion. Der Selektionskoeffizient s ist dabei von -0.02 (2% schlechtere Fitness/Fortpflanzungswahrscheinlichkeit der Homozygoten für die Mutation, 1% der Heterozygoten ) bis 0,01 (1% besseres Abschneiden der Homozygoten, 0,5 der Heterozygoten) aufgetragen.


{2}

Deutlich wird, dass in grösseren Populationen die Selektion wirksamer ist. Nes sollte um die Formel interessant zu machen in der Nähe von 1 liegen, der von mir angenommene Selektionskoeffizient von -0.02 bis 0.01ist vergleichsweise groß und daher gibt die Formel für eher kleine Werte von N interessante Graphen. In realistischeren Situationen wird die Formel wohl eher bei um einige Zehnerpotenzen größeren Populationen angewandt deren Selektionskoeffizient um einige Zehnerpotenzen kleiner sind.
Schön zu sehen ist auch dass die Formel "im Limit" (s=0) die gleichen Werte gibt wie Formel [1].

Die R-Befehle gibt es hier als googledoc. Einfach in eine Textdatei einfügen.
Das ganze als deinscript.R speichern. In R erzeugt das script mit source("deinpfad/deinscript.R") den Plot dieses Posts mit dem Namen nearlyneutralauto.jpg in dem Ordner in dem du R gestartet hast.

Die neutrale Theorie der molekularen Evolution, Teil 2

Vielleicht ist es jemandem aufgefallen: Die Teilaspekte der neutrale Theorie, die ich im ersten Post vorgestellt hatte erlauben nicht unbedingt viele Voraussagen und wären zu Kimuras Zeit, vor Entwicklung der DNA-Sequenzierung, in dieser Form untestbar gewesen.

Wie ich bereits angedeutet habe hat die Theorie auch einen mathematisch etwas schwierigen Teil: Formel, die von Kimura aus Diffusionsgleichungen ableitete, da Mutationen ähnlich diesem physikalischen Prinzip in die Population "diffundieren". Für die durchschnittliche Zeit zwischen dem entstehen der Mutation und ihrer Fixierung konnte er 4Ne Generationen ermitteln.
Mutationen, die zum verschwinden verurteilt sind tun dies dagegen im Durchschnitt innerhalb von

[6]

Generationen.
Mutationen die verloren gehen tun dies als in wesentlich kürzerer Zeit, als solche die fixiert werden.

Nehmen wir nen weiter ein Modell mit unendlich vielen verschiedenen möglichen Allelen an, gibt

[7]

die erwartete Homozygotie unter Neutralität in einem Gleichgewichtszustand von Mutation und Verlust der Mutationen durch Drift. u ist dabei die wieder die neutrale Mutationsrate. Die Formel hat eine schöne Herleitung auf die ich in späteren Posts zurückkommen werde, da dafür noch weitere Konzepte erklärt werden müssen.
Homozygotie beschreit den Zustand eines Locus (Genort) an dem nur eine Allel in der Population vorhanden ist. Dieser "Zustand" ist heute erkennbar indem man den betreffenden Locus für genügend Individuen der Population sequenziert, diese Technik war allerdings erst seit den achtziger Jahren verfügbar und auch bis in die neunziger für eine breite Anwendung noch zu teuer und arbeitsaufwändig.
Man hat nun bereits zu Kimuras Zeit festgestellt, dass diese Voraussagen über Homozygotität für anhand von Allozym -Polymorphismen gewonnenen Daten nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Allozyme waren in der Zeit nach der Entwicklung der Populationsgenetik lange Zeit das einzige Werkzeug um Einblicke in die Genetik jenseits von morphologischen, diskreten Merkmalen, wie sie Mendel benutzt hatte, zu erlangen. Ich sollte ihnen einen eigenen Post widmen...

Für die meisten Daten wird aus historischen Gründen, die wir noch kennen lernen werden, eher die die Heterozygotie als die Homozygotie angegeben. Da jeder Lokus entweder im einen oder im anderen Zustand vorliegt, ist der Zusammenhang zwischen beiden Messwerten aber ein einfacher: Die Heterozygotie (H) ist 1- die Homozygotie. Deshalb ist die einfache Umformung von Formel [7]:

[8]

Im nächsten Post werde ich zunächst auf die nahezu neutrale Version der Theorie eingehen, dann sind die Grundlagen vorhanden um einige Veröffentlichungen -auch aktuelle- zu besprechen.

Samstag, 29. November 2008

Grundlagen: Effektive Populationsgröße

Wie wir im ersten Post über die neutrale Theorie gesehen haben spielt bei Zufallsprozessen, wie genetischem Drift (der zufälligen Fixierung bestimmter Allele) , die Populationsgröße eine Rolle. Wir haben für diesen ersten Teil dieser Theorie lediglich die aktuelle Populationsgroesse N betrachtet, diese kann man "einfach" durch "zählen" der betreffenden Individuen der Population bestimmen. Dies funktioniert leider nur auf Kosten mehrerer Voraussetzungen, wie gleichbleibender Populationsgröße und zufälliger Paarung.
Wollen wir unsere Modelle nun aber auf realistischere Systeme anwenden, brauchen wir das Konzept der effektiven Populationsgröße(Ne).

Viele Population haben beispielsweise eine ungleiche Anzahl sich fortpflanzender Männchen und Weibchen. Dies ist bei starker männlicher Konkurrenz um die Weibchen der Fall, wo sich in jeder Generation nur ein Bruchteil der Männchen fortpflanzen.
In diesem Fall ist

[3]

Wobei Nm die Anzahl der sich fortpflanzenden Männchen, Nf die Anzahl der sich fortpflanzenden Weibchen ist.
Spielt man etwas mit dieser Formel, wir beim Einsetzen von Werten sehr schnell deutlich, dass wenn Nm sehr viel größer als Nf der Wert für Ne eher in der Nähe des kleinen Wertes liegt. Dies macht Sinn, da durch die wenigen sich paarenden Männchen in jeder neuen Generation eine Art Flaschenhals ensteht: Die Hälfte der autosomal weitergegebenen Allele wird durch einen kleinen Bruchteil der Individuen weitergegeben.

Ähnliches gilt aus den gleichen Gründen, wenn sich einzelne Individuen -unabhängig vom Geschlecht- sehr unterschiedliche Nachkommenzahlen haben, dann ist

[4]

wobei Vk die Varianz in der Nachkommenzahl ist. Da bei gleichbleibender Populationsgröße (bisher immer noch eine Ausgangsannahme) durchschnittlich zwei Nachkommen pro Elternteil entstehen, ist die Nachkommenanzahl bei zufälliger Fortpflanzung Poisson-verteilt mit einem Mittelwert und einer Varianz von 2. Größere Varianzen lassen in obiger Formel Ne kleiner als N werden.

Doch was passiert wenn sich die Populationsgröße über die Zeit ändert? Ganz einfach

[5]

d.h. Ne ist das harmonische Mittel der Populationsgrößen in n Generationen.

Ähnliche Gleichungen für die effektiven Populationsgrößen kann man auch für andere Abweichungen wie überlappende Generationen finden. In der Regel ist dabei die effektiven Populationsgröße kleiner als die aktuelle Populationsgröße.

Ausgerüstet mit diesem Handwerkszeug können wir uns nun Problemen widmen, die weniger strenge Annahmen verlangen.

Mittwoch, 26. November 2008

Die neutrale Theorie der molekularen Evolution

Meine erstes Thema wird die Ausbreitung von Mutationen innerhalb einer finiten Population sein.

Motoo Kimura entwickelte seine Theorie dazu in den 1960er bis 1980er Jahren ausgehend von Anwendungen von Diffusions Approximationen auf genetische Fragestellungen, an denen zuvor R.A.Fisher und S. Wright gearbeitet hatten. Die Herleitung der Formeln übersteigt dabei mein mathematisches Verständnis. Die Theorie (und ihre nahezu neutrale Erweiterung) ist aber eine der elegantesten in der Biologie und daher auch intuitiv verständlich.
Ich versuche deshalb nur ihre Grundzüge ohne Anspruch auf Vollständigkeit darzustellen, zu zeigen welche Annahmen benötigt werden und welche Vorhersagen dies erlaubt. Bewusst wähle ich diesen Ansatz mit einer der mathematisch komplexesten Theorien zu starten (in den folgenden Posts kann es also nur einfacher werden) und werde später bei mathematisch einfacheren Theorien mehr auf Herleitung und Entwicklung der Formeln eingehen.

Hauptsächlich interessiert mich im aktuellen Post die Fixierungswahrschheinichkeit eines Allels (Ausprägungszustand eines Gens), oder spezieller einer neuen Mutation. Fixierung bedeutet hierbei, dass in der Population ausschließlich das betreffende Allel vorkommt. Der Verlust des Alles oder dessen Fixierung stellen Extremzustände da, die sich in einer vereinfachten Darstellung untersuchen lassen.
Hartl und Clark benutzen das Beispiel einer Bouling-Bahn in der die seitlichen Rinnen Analoga dieser Extremzustände sind. Nimmt man nun an, dass die -analog zur Zeit- unendlich lange Bahn -analog zu möglichen Zufallsereignissen- nicht perfekt eben ist- wird offensichtlich, dass jedes Allel über kurz oder lang einen dieser Extremzustände erreicht.
Wichtig ist lediglich die Breite der Bahn oder ihr biologisches Analogon, die Populationsgröße.

Wir nehmen eine diploide Population mit N Individuen an, in dieser sind 2N Kopie des interessierenden Gens vorhanden und es werden 2N Gameten für die nächste Generation gewählt , die dann wieder N Zygoten bilden (=gleichbleibende Populationsgröße und zufällige Paarung). Die Fixierunswahrscheinlickeit eines Alles ist nun gegeben durch seine aktuelle Frequenz p0/Anzahl der Kopien. Im Falle einer neuen Mutation, die per Definition nur einmal vorhanden ist

[1]

Das macht Intuitiv Sinn, da jedes Gen einen Fixierungszustand ansteuert und zum Startzeitpunkt eben 2N Alternativen gegeben sind.


{1}

Betrachtet man die aus dieser Formel resultierende Fixierungswahrscheinlichkeit für eine Mutation als Funktion der Populationsgröße wird deutlich, dass diese Wahrscheinlichkeit selbst für eine moderate Populationsgröße nicht besonders groß ist. Sie ist allerdings auch nicht 0 für große Populationen (z.B. N=1,000,000-> p= 0,0000005)

u ist die Mutationsrate mit der irgendwo im interessierenden Abschnitt des Genoms eine Mutation entsteht. Neutralität kann man nun für einen ganzen Abschnitt des Genoms, wie z.B. ein Pseudogen, annehmen oder für spezielle Mutationen, wie z.B. jene von degernerierte Basen an der dritten Stelle eines Kodons (= synonyme Mutationen).
Die Rate u, mit der die Mutationen entstehen ist nun erstaunlicherweise gleich der Rate mit der neutrale Mutationen fixiert werden K. Sie ist unabhängig von der Populationsgröße, da in großen Populationen auch mehr Mutationen entstehen.

[2]

d.h. die kleinere Fixierungswahrscheinlichkeit und die Populationsgröße heben sich gegenseitig auf. Ein Zusammenhang von mathematisch schlichter Schönheit.
Die durchschnittliche Zeit zwischen zwei Fixierungen ist dann logischerweise 1/u.

Dieses Modell passt logischerweise nicht immer zu den beobachteten Daten und ist daher sehr hilfreich als Nullhypothese um Neutralität zu testen. Es ist allerdings falsch aus abweichenden Beobachtungen auf Nicht-Neutralität zu schließen, da auch andere Voraussetzungen wie beispielsweise die gleichbleibende Populationsgröße verletzt sein können.

Folgerungen aus der neutralen Theorie der molekularen Evolution tauchen in zukünftigen Post wieder auf. In diesen werde ich näher auf den Einfluss von Selektion und damit auf die nahezu neutrale Version der Theorie eingehen, finite Populationsgrößen näher beleuchten und Zusammenhänge von Polymorphismus und Divergenz aufzeigen.

Dienstag, 25. November 2008

Populationsgenetik, Now!

Meine Serie

Dies ist ein Beitrag in einer Reihe von Posts zu Populations- und quantitativer Genetik. Es gibt im deutschsprachigen Raum meines Wissens kein Lehrbuch zu diesem Thema. Dies ist wohl eine der Folgen des zu niedrigen Stellenwertes der Evolutionsbiologie an deutschen Hochschulen, wie ihn auch der VBIO beklagt.
Eine anderer möglicher Grund für die fehlende "quantitative Tradition" in der deutschen Evolutionsbiologie ist vielleicht auch, dass der bekannteste deutschsprachige Vertreter dieser Disziplin, Ernst Mayr nicht mit mathematischen Modellen arbeitete.

Die Posts dieser Reihe werde ich hauptsächlich mit Hilfe der Bücher "Principles of population genetics" von Daniel L Hartl und Andrew G. Clark, "Quantitative genetics" von Douglas S. Falconer und Trudy F.C. Mackay schreiben. Außerdem habe ich in den letzten Monaten eine Vorlesung bei Brian Charlsworth und Peter Keightley besucht, die Skripte und Aufzeichnungen aus diesen werde ich ebenfalls konsultieren.
Trotzdem werden die Posts natürlich nur einen winzigen Einblick in das große Feld verschaffen und sicher auch Fehler enthalten.



Warum sollte man sich gerade jetzt mit Populationgenetik beschäftigen?

In einem interessanten Post auf dem Fischblog beschreibt Godwael den großen zu erwartenden Erkenntnisgewinn aus der Sequenzierung hunderter kompletter menschlicher Genome. Dabei ist mir aufgefallen, dass die theoretischen Grundlagen der Populationsgenetik im deutschsprachigen Raum wohl eher unbekannt sind.

Wie breiten sich Mutationen aus? Wie ausgeprägt sind die Einflüsse von Migration, Drift und Selektion? All diese Fragestellungen müssen nicht anhand der an kompletten Genomsequenzen gewonnenen Daten untersucht werden, sondern es existiert eine unglaubliche Fülle an Modellen, die das das Zusammenspiel dieser Faktoren testen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass auch neue Modele entwickelt werden müssen, das Gros der neu gewonnenen Daten passt aber zu den bestehenden Erklärungsansätzen.

Welchen Nutzen ziehen Evolutionsbiologen also aus den neu gewonnenen Genom-Daten?
Einer der Hauptnutzen besteht darin, dass sie die Suche nach den am besten passenden Modellen für bislang ununtersuchte Genombereiche erlauben. Evolviert ein Bereich des Genoms dann anders als man es unter einem bestimmten Modell erwarten würde, ist die Verwendung eines anderen Modells mit veränderten Ausgangs-Annahmen nötig. Hat man dann ein Modell gefunden das die Daten anhand der der sparsamsten Parameter (Occam's Razor) bestmöglich beschreibt generiert dies wiederum neue Hypothesen.
Beispielsweise könnte es notwendig werden über historisch noch unbekannte Migrationsbewegungen menschlicher Populationen nachzudenken oder Selektion auf einen Bereich des Genoms in Betracht zu ziehen der zuvor als neutral galt. Je nachdem was die Modelle nahelegen können so beispielsweise Hypothesen für Historiker, Zellbiologen oder Biochemiker generiert werden. Die Fähigkeit der entsprechenden Wissenschaftler diese Implikationen der Evolutionsbiologie für ihr Forschungsfeld zu verstehen wird in einigen Beriechen sicher Entdeckungen fördern. Es ist also für viele Wissenschaftler ratsam sich in nächster Zeit etwas mit theoretischer Evolutionsbiologie zu beschäftigen.

Seeigelsex Protokoll

Als Ergaenzung zu Argent23's Post "Seeigelsex" auf Holiday Junction poste ich hier das original Protokoll der Giglio-Exkursion von 2006. Es soll ja Leute geben, die ein Mikroskop ihr eigen nennen und unter dieser einen Vorraussetzungen ist das Ganze eine wirklich spannende Urlaubsbeschaeftigung. Vielleicht stolpert ja auch der eine oder andere Kursteilnehmer bei der Vorbereitung der Versuche ueber diese Posts... Viel Spass!


Larvalentwicklung der Echinodermata


1. Einleitung

Stachelhäuter sind getrenntgeschlechtlich und pflanzen sich fort, indem sie Samenzellen und Eier direkt ins Wasser freisetzen. Das Geschlechterverhältnis ist dadurch bei vielen Arten zugunsten der Männchen auf etwa Drei zu Eins verschoben. Die meisten Arten haben pelagische Larven, die sich von Plankton ernähren. Im Gegensatz zu ihren Eltern sind die Larven bilateralsymmetrisch. Erst wenn sie sich auf dem Boden niederlassen verändert sich ihr Körper und zeigt die typische Radiärsymmetrie. In der Entwicklung der Larven wird außerdem der Urmund zum späteren After, und ein sekundärer Mund bildet sich, was die Echinodermata als Deuterostomier ausweist.
Seeigelembryonen werden daher, und weil sie leicht zugänglich und durchsichtig sind als Modellsystem für Entwicklungsvorgänge benutzt.


2.Gewinnung der Gameten

Wir benutzten für unseren Versuch den Schwarzen Seeigel, Arbacia lixula, der im Mittelmeerraum und so auch auf Giglio an allen Felsküsten häufig vorkommt.
Da die Tiere sehr empfindlich auf Kontakt mit der Luft reagieren, wurde einmal sofort am Strand versucht Eizellen und Sperma zu gewinnen, ein zweites Mal wurden andere Tiere erst im Labor der Prozedur unterzogen. Die Tiere wurden mit der Oralseite nach oben in ein Becherglas, gefüllt mit sterilfiltriertem Meerwasser, gesetzt. Zum Sterilfiltrieren hatten wir das Meerwasser mit einer Spritze und einem geeigneten Aufsatz durch einen Filter mit einer Maschenweite von 0,2μm gepresst.
Den Seeigeln wurde nun etwa 2ml Kaliumchlorid mit einer Injektionsspritze durch die Mundöffnung in die Leibeshöhle injiziert, was eine Depolarisation und ein Ausstoßen der Gameten bewirken sollte.
Dazu verwendeten wir am Strand versehentlich 30%iges (circa 5M) im Labor später 0,5 molares KCl. Trotzdem kam es bei beiden Ansätzen zu einem Ausstoßen von Gameten, wobei nicht alle Tiere wie gewünscht reagierten. Es zeigte sich dass eine schräge Injektion tief ins innere des Tieres die größte
Erfolgswahrscheinlichkeit mit sich bringt. Dies könnte daher rühren, dass so das Kaliumchlorid direkt in die Gonade seitlich unter der Apikalseite gespritzt wurde.



Folgende Tabellen zeigen die Anzahl männlicher und weiblicher Tiere, die Keimzellen ausstießen. Die Zahl in der Spalte BG gibt an wie viele Tiere weder Spermien noch Eizellen abgaben.

Strand
BG---männlich---weiblich
6------------3---------------2

Labor
BG---männlich---weiblich
4------------4---------------2


Durch die hohe Anzahl von Tieren unbestimmten Geschlechts macht eine Statistik der Geschlechterverteilung keinen Sinn. Die Gameten wurden mit einer Pipette vom Boden der Bechergläser entnommen und getrennt, gekühlt aufbewahrt.


Entwicklung der Embryonen

Wir gaben nun in zwei Petrischalen die am Strand erhaltenen Spermien zu den dort gewonnenen Eizellen und stellten eine der beiden Schalen kühl.
Ebenso verfuhren wir mit den erst im Labor erhaltenen Geschlechtszellen.
Nach der Befruchtung der bereits polar gebauten Eizelle(Polkörperchen am animalen Pol) wurde ein Eindringen weiterer Spermien durch eine Veränderung der Plasmamembran zur Befruchtungsmembran, die nun so genannte Corticalgranula als äußere Schutzschicht enthält, verhindert. Diese Befruchtungsmembran war bei allen Versuchsansätzen als dünner Kranz um die Zygote zu erkennen.





Auch die ersten beiden Furchungen, die das Ei entlang der animal-vegetativen Achse teilen konnten wir bei den bei Zimmertemperatur gelagerten Ansätzen nach ca.20 und 40 Minuten erkennen. Die im Kühlschrank gelagerten Embryonen erreichten nach etwa 20 Stunden dieses Stadium.





Nach etwa zwei Stunden hatten die Zimmertemperatur-Ansätze das 16-Zell-Stadium erreicht. Dieses entsteht nach der vierten inäqual verlaufenden Furchung und zeigt am vegetativen Pol vier kleine Mikromeren.





Nach etwa 5 Stunden befanden sich in den beiden bei Zimmertemperatur gelagerten Ansätzen bereits Blastulae. Auch die gekühlten Ansätze erreichten dieses Stadium, allerdings erst nach fünf Tagen.





Die darauf folgenden Stadien, zwischen Blastula und Larve, entwickelten sich über Nacht und konnten daher leider nicht dokumentiert werden.





Bei Beginn der Gastrulation wanderten vom vegetativen Pol etwa 40 primäre
Mesenchymzellen in das innere der Blastula. Dort stülpte sich der Darm ein, der dann mit dem Mund, der sich von der gegenüberliegenden Seite eingestülpt hatte, verschmolz.
Nach etwa 48 Stunden konnten wir im Ansatz, mit den am Strand gewonnenen
Gameten, der bei Zimmertemperatur gelagert wurde, Pluteuslarven entdecken.





Die Embryonen des im Labor gewonnenen Ansatzes waren von Pilzsporen oder
anderen Verunreinigungen zerstört. Auch die beiden im Kühlschrank gelagerten Ansätze starben nach fünf Tagen im Blastulastadium ab.
Wahrscheinlich war nur beim ersten Sterilfiltrieren des Meerwassers unser Filteraufsatz richtig dicht.
In unserem ersten Ansatz konnten wir nach drei Tagen sogar die beginnende
Metamorphose zum radiärsymmetrischen Tier beobachten. Es hatte sich am Boden der Petrischale mit einem radiärsymmetrischen Auswuchs angeheftet.


Donnerstag, 20. November 2008

Statistik ist mehr als die drei Tests, und was ich im Moment so mache.

Der Hauptgrund warum hier nichts los ist hat nur einen Buchstaben: R.

Während meiner Diplomarbeit habe ich neben meinem Interesse an Genomik auch einen Hang zu quantitativem Arbeiten entwickelt. Genauer gesagt sollte ich damals die Darmwand "meines [1]" Wurms elektronenmikroskopisch untersuchen und verschiedene Parameter dieses Epithels aus verschiedenen "experimentellen Gruppen" vergleichen(d vermessen). Ich habe mir daraufhin ein Programm beschafft mit dem ich die digitalisierten Bilder vermessen konnte und habe so eine riesigen Datensatz generiert.




Die Analyse in SPSS gestaltete sich dann folgendermaßen:




Alles was nach den erste beiden Pfeilen steht ist dabei was die Vorgehensweise bei der Datenauswertung betrifft bestenfalls nicht besonders elegant [2]. Effekte aller Variablen habe ich nacheinander in willkürlicher Weise auseinander "seziert".
Die korrekte Vorgehensweise wäre ein statistisches Modell auf die Daten anzupassen. Dabei würden dann schrittweise von einem Maximalmodell ausgehend nicht signifikante Variablen ausgeschlossen.
Einer der vielen Vorteile von R ist nun, dass es die Datenanalyse geradezu in Richtung einer solchen Modellierung lenkt.

Der Datensatz meiner Diplomarbeit ist für meine derzeitigen Fähigkeiten trotzdem noch etwas zu kompliziert. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit Infektionsdaten, die ich Anfang des Jahres in Taiwan gesammelt habe. Es geht darum den Zusammenhang von Kapseln in der Darm- und Schwimmblasenwand mit der Infektion zu testen (die Kapseln sind tote Larven!).



Neben meiner statistischen Modellierung amplifizieren und sequenzieren wir ("mein" Diplomand Dominik) im Moment aus den Kapseln einige Gene für die wir sehr Nematoden-spezifische Primer haben.



[1] Sobald "mein" Transkriptom online ist lass ich die Anführungszeichen weg ;-)

[2] Ich wurde gerade dafür trotzdem von den Gutachtern meiner Arbeit gelobt. Das Hauptproblem an diesem Datensatz ist auch wirklich die pseudo-Replikation, darum die vielen Mittelwerte.

Samstag, 8. November 2008

Das Volk hat gesprochen!

Ich beuge mich einer eindeutigen 2/3 Mehrheit und werde weiterhin auf Deutsch, Englisch und Denglisch bloggen! Sobald ich wieder dazu komme...

Sonntag, 2. November 2008

Best nematode quote ever

NATHAN AUGUSTUS COBB

1859-1932

"In short, if all the matter in the universe except the

nematodes were swept away, our world would still be dimly

recognizable, and if, as disembodied spirits, we could then

investigate it, we should find its mountains, hills, vales,

rivers, lakes, and oceans represented by a film of

nematodes. The location of towns would be decipherable,

since for every massing of human beings there would be a

corresponding massing of certain nematodes. Trees would

still stand in ghostly rows representing our streets and

highways. The location of the various plants and animals

would still be decipherable, and, had we sufficient

knowledge, in many cases even their species could be

determined by an examination of their erstwhile nematode

parasites."

from "Nematodes and Their Relationships", 1915