Die Interaktion von Trematoden und Schnecken beruht (nach der aktuellen Hypothese) darauf, dass das sich zur Muttersporocyste entwickelnde Miracidium des Parasiten den Wirt entweder aktiv in seiner Immunantwort beeinflusst, oder aber durch ein Mimikry von Wirtsepitopen vom Immunsystem unerkannt bleibt. Letzteres ist bei B. glabrata und S. mansoni der Fall.
Während bei einer Beeinflussung/Unterdrückung des Immunsystems in anderen Wirt/Parasit-Systemen generell von anfälligen und resistenten Wirten gesprochen werden kann, ist die Interaktion beim Mimikry von Wirtsepitopen komplizierter:
Die selbe Parasiten-Linie ist unterschiedlich kompatibel mit künstlich auf Resistenz oder Anfälligkeit selektierten Schnecken-Linien (Soweit wäre das natürlich auch durch bloße Resistenz der Schnecke erklärbar). Werden aber anderer Schnecken-Linien mit einer anderen Parasiten-Linie selektiert ist die in dieser künstlichen Co-Evolution resistente Schneckenlinie anfällig für die Parasiten-Linie aus der ersten Selektion. Ein schönes Schaubild dazu (Fig.3) kann man sich in diesem Paper anschauen, wenn man Zugriff hat.
Die Versuche der Gruppe zur Identifizierung der molekularen Grundlage dieser Interaktion wurden nun mit einem zu einer brasilianischen Schnecken-Linie kompatiblen Stamm von S. mansoni und einem inkompatiblen Stamm durchgeführt (Zur Vermehrung des inkompatiblen Stamms stand eine andere Schneckenlinie zur Verfügung).
Verwendet wurde ein proteomischer Ansatz (2D Gele) und es konnten sogenannte Schistosoma mansoni polymorphic mucin-like proteins (Sm PoMuc) als Hauptverdächtige identifiziert werden.
Mucine oder Mucin-ähnliche Proteine sind im Schleim (Mucus) vieler Organismen enthalten. Solcher Mucus wird oft von als Reaktion auf eine Infektion produziert, und kann dazu dienen Parasiten zu bekämpfen. Andererseits sekretieren Parasiten aber auch Mucin-ähnliche Moleküle um die Wirtsabwehr zu täuschen.
In Sm PoMucs werden fast ausschließlich in den in der Schnecke parasitierenden Stadien exprimiert. In den Miracidien werden sie in sogenannten Apicaldrüsen produziert und sekretiert. Möglicherweise kann sich der Parasit so in einem küstlichen Nebelschleier verbergen (im Deutschen klingt das schon fast poetisch; anders als das Englische "covered by a smoke screen").
Die Struktur der Sm PoMucs erwies sich als höchst polymorph. Gemeinsam haben alle Transkripte ein Signalpeptid (in Übereinstimmung mit der extrazellulären Lokalisation) gefolgt von einer Region bestehend aus einer variablen Anzahl von (3 leicht unterschiedlichen; r1, r1' und r2) 9-Aminosäuren-Repeats gefolgt von 3 leicht unterschiedlichen C-terminalen Regionen (1, 2, 3).
Eine unterschiedliche Kombination dieser Elemente kennzeichnet drei Gruppen von Sm PoMucs (die erste Gruppe und die zweite Gruppe haben nur r2 und unterschiedliche C-terminale Regionen 1 und 2; die dritte Gruppe hat R1' und R1 gefolgt von der C-terminalen Region 3).
Eine vierte Gruppe wiest eine wahrscheinlich durch alternatives Splicen noch stärker abweichende Sequenz auf.
Im Kompatiblen und inkompatiblen Parasiten-Stamm unterscheidet sich in allen drei Gruppen die Anzahl der Repeats. Codiert werden die drei Gruppen von jewels einem Gen. Die unterschiedliche Anzahl der Repeats entsteht ebenfalls durch alternatives splicen.
Besonders von Bedeutung ist weiterhin, das die Repeats Serin-, Threonin- und Prolin-reich sind, was als Zeichen für eine posttranslationale Glycolsylierung gilt.
So könnten möglicherweise speziell die unterschiedlich angefügten Zucker für die unterschiedlichen Eigenschaften der Moleküle in der Wirts-Parasit-Interaktion verantwortlich sein.
Für mich war der Vortrag deshalb so interessant, da er mir die Beschränkungen der in meinem Projekt verwendeten transkriptomischen Methoden vor Augen geführt hat:
Allein das Assembley der Repeats wäre aus 454-Pyrosequenz-Daten (bei der bisherigen read-Länge von 250 Basen) wahrscheinlich sehr schwierig bis unmöglich. Und selbst mit sehr viel längeren reads bräuchte man eine extrem hohe Coverage der betreffenden Regionen um ein solches Maß an Polymorphismus aufdecken zu können.
Außerdem interessant (und etwas beunruhigend, wenn man die Arbeit mit Proteinen nicht besonders mag) ist die Tatsache, dass ein wesentlicher Teil des Polymorphismus durch posttranslationale Modifikation entstehen kann. Generell neu und überraschend ist das natürlich nicht unbedingt, allerdings könnte es besonders im Co-Evolutions-Context eine gewaltige Rolle spielen.
Gerade in der Interaktion mit mehreren sympatrischen Wirtsarten könnten solche Mechanismen zu einer Evolution von Plastizität führen. Speziell diese Plastizität könnte als Gegenspieler von adaptiven Prozessen sympatrische, ökologische Artbildung von den an unterschiedliche Wirtsorganismen angepassten Parasiten-Stämmen verhindern.
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E ROGER, B GOURBAL, C GRUNAU, R PIERCE, R GALINIER, G MITTA (2008). Expression analysis of highly polymorphic mucin proteins (Sm PoMuc) from the parasite Schistosoma mansoni☆ Molecular and Biochemical Parasitology, 157 (2), 217-227 DOI: 10.1016/j.molbiopara.2007.11.015
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